Dienstag, 30. September 2008

In der Kreditklemme

Die Banken und andere grosse Investoren sitzen derzeit auf ihrem Geld. Sie haben Angst, dieses in Form von Krediten auszuleihen. Wer weiss schon, ob es je wieder zurück bezahlt wird? Ohne Kredite kommen aber in den USA immer mehr Unternehmen auch ausserhalb der Finanzindustrie und Privatpersonen ins Schwitzen.

Der Grund: Viele verlassen sich auf Kredite, um den Alltag zu finanzieren. Zahlreiche Unternehmen bezahlen zum Beispiel kurzfristige Verpflichtungen wie Löhne auf diese Weise (short-term IOU's). Einzelpersonen leisten sich das Haus, das Auto oder sogar die täglichen Ausgaben auf Pump. Nun bekommen sie die Kreditklemme schmerzhaft zu spüren.

Doch es gibt auch andere Beispiele. Seane Walsh etwa, Chef von Sixpoint Craft Ales, einer kleinen Bierbrauerei in Brooklyn, New York. Er habe das alles kommen sehen und sein Geschäft nie zu stark von Fremdkapital abhängig gemacht, erklärte er: "Wir haben die Kosten tief gehalten und die Gewinne reinvestiert. Wir sind ein solides Unternehmen."

Allerdings macht auch er sich langsam ein wenig Sorgen: Was, wenn seine Lieferanten plötzlich in finanzielle Schwierigkeiten geraten? Oder die Kundschaft spart und weniger Bier trinkt? Die Folgen würde auch seine Brauerei zu spüren bekommen - trotz des konservativen Umgangs mit Geld. Umso wichtiger sei es deshalb, dass das Parlament in Washington D.C. das 700-Milliarden-Dollar-Rettungspaket in der einen oder anderen Form endlich durchwinke.

Sonntag, 28. September 2008

Living History

Am Montag vor zwei Wochen ging die 158-jährige Firmengeschichte von Lehman Brothers, der viertgrössten Investment-Bank der USA, abrupt zu Ende: Chapter 11-Verfahren, Gläubigerschutz, Verkauf von Firmenteilen, Entlassung einer grossen Zahl der Angestellten.

Auch wenn im hektischen Manhatten die letzten Spuren von Lehman Brothers schnell ausradiert werden (siehe Bild, der Schriftzug der Investment Bank unten an der Tafel ist nur noch schwach zu erkennen), ist der Untergang und vor allem das Schicksal der Lehman-Angestellten weiterhin ein Thema. Abends in der Bar, am Nebentisch im Restaurant oder manchmal sogar in der Subway. Man muss bloss die Ohren spitzen.

Nicht alle Angestellten waren sog. "Fat Cats", wie die superbezahlten Investment Banker der Wall Street im Jargon genannt werden. Es gab auch "normale" Angestellte: Buchhalter, Assistentinnen, Chauffeure etc. Auch sie hatten ihren Lohn und ihre Pensionsgelder zu einem guten Teil in Lehman-Papieren investiert. Das rächt sich nun und bringt wohl einige von ihnen in finanzielle Schwierigkeiten... Das lässt die New Yorker nicht kalt. Trotz allem.

Samstag, 27. September 2008

Von James Meredith zu Barack Obama

Die erste Fernsehdebatte der beiden Präsidentschaftskandidaten ist vorbei. Einen klaren Sieger gibt es nicht. Oder vielleicht doch?

Die amerikanische Gesellschaft darf sich als Gewinnerin fühlen. Fast auf den Tag genau vor 46 Jahren stand nämlich der Ort der Debatte - die University of Mississippi in Oxford - schon einmal im Zentrum der Aufmerksamkeit. Der 1.Oktober 1962 war der erste Studientag von James Meredith. 30'000 Bundessoldaten mussten den jungen Mann schützen, denn James Meredith war halb Choctaw-Indianer, halb Afro-Amerikaner, der erste farbige Student an der "Ole Miss".

Die weissen Rassisten schäumten, auch der damalige Gouverneur von Mississippi. Bei den anschliessenden Rassenkrawallen starben zwei Menschen, Hunderte wurden verletzt; Oxford wurde zum Symbol des offenen Rassismus.

Heute sind die Südstaaten-Flaggen auf dem Universitäts-Campus verschwunden, jeder und jede 5. Studierende gehört einer Minderheit an und in der Aula debattiert Barack Obama. Ein farbiger Politiker mit fremdländischem Namen gilt der halben Nation als Hoffnungsträger.

Auf der Titelseite des "Wall Street Journal"

Was für eine Woche für die Wall Street! Schon wieder, muss man sagen. Eine negative Nachricht jagte die andere: Washington Mutual verursacht die grösste Bankenpleite der Geschichte, eine andere US-Bank, Wachovia, sucht offenbar verzweifelt einen Retter und die Politik streitet sich über die Ausgestaltung des 700-Milliarden-Dollar-teuren Rettungsrings für die Finanzindustrie. Ein Gruseln und Grausen allenthalben!

Wirklich? Nicht ganz! Denn am Dienstag rieben sich wohl einige Leserinnen und Leser des "Wall Street Journal" verwundert die Augen. Wegen Eliana Burki. "When She Blows the Alphorn, It's not All Mountain Music" - mit diesen Worten war ein Artikel über die 25jährige Musikerin aus dem Kanton Solothurn überschrieben.

Eliana Burki trete in Minirock und mit zerrissenen Jeans auf und spiele mit dem Alphorn bravourös Jazz, Rock und Funk, schwärmt die Zeitung. Burki betrete mit dem Alphorn musikalisches Neuland und sei dabei nicht alleine. Das Alphorn sei in der zeitgenössischen Musik stark im Kommen.

Während ich mich als Schweizer in New York City aus patriotischen Gründen über diesen prominenten Auftritt meiner Landsfrau freue, wundere ich mich gleichzeitig über diese doch etwas eigenwillige Themensetzung des "Wall Street Journal" so mitten in der Finanzkrise. Bis ich umblättere und lese, dass Eliana Burki die Musik von Miles Davis liebe. Cool Jazz, also. Und "cool down" war wohl die versteckte Message an die hypernervösen Leserinnen und Leser des Blattes.

Donnerstag, 25. September 2008

"Opium fürs Volk" und "Reden ist Gold"

"The world turns upside down", die Finanzkrise in den USA wird den Steuerzahler über eine Billion Dollar kosten, zumindest mittelfristig, und die US-Politik ereifert sich über einige "wenige" hundert Millionen Dollar Boni für die CEOs. Es dürfe keine "goldene Fallschirme" für fehlbare Firmenchefs geben. Das stimmt - und man kann nur ein Ausrufezeichen hinter diesen Satz setzen - lenkt aber nur vom Hauptthema ab: 700 Milliarden Dollar, die der Steuerzahler berappen muss. Denn so viel soll allein das zur Zeit so heftig debattierte Rettungsprogramm kosten. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass mit einer Klausel gegen "goldene Fallschirme" im Rettungsprogramm die empörte "Main Street" ruhig gestellt werden soll. Opium fürs Volk.

John McCain will angesichts der grossen Krise nicht reden, sondern handeln. Er will die Präsidentschaftsdebatte verschieben und nach Washington fahren, um nach dem Rechten zu sehen. Doch wann, wenn nicht jetzt, möchte man wissen, was der nächste Präsident zu tun gedenkt. In diesem Fall wäre Reden buchstäblich Gold wert.