Donnerstag, 30. Oktober 2008

Im Land der 3000 Kartoffelsäcke

Der Spruch ist alt und gut, wenn auch nicht verbürgt: «Gebt mir eine Million Franken und ich mache aus einem Kartoffelsack einen Bundesrat", soll der Werber Rudolf Farner einst gesagt haben. Lebte er heute in den USA und müsste einen Präsidenten ins Weisse Haus hieven, der notwendige Betrag für den politischen Erfolg hätte ein paar Nullen mehr. Sicher eine Milliarde $ Werbegelder haben die Präsidentschafts-Kandidaten für ihren Wahlkampf ausgegeben, einige Experten sprechen gar von 3 Milliarden.
3'000'000'000 Dollar...das ist in etwa der Jahres-Etat des Kantons Luzern.
Absoluter Krösus ist Barack Obama. Der Hoffnungsträger der Demokraten stellt alles und alle in den Schatten, wenn es um Spendengelder geht. Im Schlussspurt vor dem Wahltag hat er vier mal mehr Geld zur Verfügung als John McCain - und er gibt es auch für ungewohnte Formate aus. Gestern Abend liess er zur besten Sendezeit auf vier nationalen Kanälen einen halbstündigen Werbespot schalten - eine Mischung aus Dokumentarfilm und Politwerbung. Bereits haben die Experten dem neuen Genre einen Namen gegeben: infomercial, eine Wortschöpfung aus Information und commercial (Werbe-Spot).

Man stelle sich ähnliches in der Schweiz vor. Der Aufschrei wäre gewaltig und die Wirkung vielleicht gar kontraproduktiv. Viel Geld zu haben hilft zwar schon, es offen zu zeigen aber eher nicht. In den USA ist das ganz anders. Hier werden regelmässig die Spendeneinnahmen der Kandidaten veröffentlicht. Wer auf der Liste oben steht, wird bewundert und erhält noch mehr, wer wenig hat, ist politisch schon fast abgeschrieben.

John McCain hat dieser Regel bis jetzt getrotzt. Vor einem Jahr stand seine Kampagne vor dem Bankrott - und dann hat er die republikanische Nomination doch noch geschafft. Jetzt ist der (persönlich im übrigen steinreiche) Senator aus Arizona wieder der finanzielle "underdog" und hofft auf eine zweite Ueberraschung. Nötig ist allerdings schon fast ein Wunder. Barack Obama ist eben weit mehr als ein mit Dollarnoten gefüllter Kartoffelsack.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Etwas Off-Topic, weil das Thema Bradley-Effekt hier im Blog nicht vorkommt. Aber am Radio DRS wars schon zu hören.

Interessant fand ich jetzt, dass die Sendung On the Media mit einigen Leuten sprach, u.a. Akteure bei der ominösen Bradley-Nichtwahl, die bestreiten, dass damals dieser Effekt spielte. Und: Seit den 90er Jahren gebe es den Bradley-Effekt überhaupt nicht mehr.

Ganz persönlich fände ich das good news, dann müsste man bei Obamas Poll-Resultaten nicht immer noch ein paar Prozent abziehen und seine Chancen stünden sehr, sehr gut.

Nachzulesen und -hören ist das Ganze übrigens hier:
On the Media - Ghost of Bradley Present

Anonym hat gesagt…

"Bereits haben die Experten dem neuen Genre einen Namen gegeben: infomercial, eine Wortschöpfung aus Information und commercial"

Der Begriff 'Infomercial' gibt es schon seit den 80er Jahren und wurde nicht wegen Obamas Werbesendung erfunden.

Was nicht vergessen werden sollte: McCain erhält finanzielle Unterstützung von der republikanischen Partei die gut gefüllte Kampfkassen hat. Dies verkleinert den Abstand ein wenig (trotzdem hat Obama eine beeindruckende Menge an Geld zur Verfügung).

Die Schweizer würde es wohl eher stören, wenn eine einzelne Person viel Geld hat und es zeigt. Abstimmungs- und Wahlkampagnen funktioniern hüben wie drüben nicht ohne Geld (wie die SVP zur genüge demonstriert hat). Dies ist aber auch nicht ausschliesslich.

@Vorposter
Der Bradley-Effekt scheint tatsächlich vor allem ein Mythos zu sein. Beobachtet wurde er schon lange nicht mehr (mehr dazu und zur Interpretation von Umfragen hier).